08.11.2014 Pressemitteilung Pollichea und NABU zum Thema " Land will Rotmilankartierung nicht bezahlen"
In der Pressemitteilung der Kreisgruppen von POLLICHIA und NABU zum Beitrag in der Nahe-Zeitung vom 4.10.14 steht:
„Rotmilan: Land will Erfassung nicht bezahlen“
Zu Recht bezeichnet Landrat Dr. Schneider die Äußerungen des Umweltministeriums zur mangelhaften Rotmilan-Erfassung in Rheinland-Pfalz als „sehr zynisch“.
Zur Vorgeschichte: Die vom Land durchgeführte „Bestandsermittlung“ beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Umfrage zu Milanvorkommen, z. B. mit der Aktion „Wo ist Milan?“ Eine systematische Kartierung, wie sie in allen benachbarten Bundesländern durchgeführt wurde, gab es nicht. Obwohl das Obere Nahebergland mit seiner für den Rotmilan idealen Landschaftsstruktur zu den Schwerpunktgebieten der Rotmilanverbreitung zählt, wurden im Kreis Birkenfeld im Rahmen der oben geschilderten, vollkommen untauglichen „Bestandsermittlung“ nur drei Vorkommen erfasst.
Der tatsächliche Bestand ist um ein Vielfaches höher. Allein im südlichen Drittel des Kreisgebiets haben in den letzen Jahren ehrenamtlich tätige Ornithologen und der über die Landesgrenze hinweg aktive saarländische Kartierer etwa 20 Reviere festgestellt. Wenn nun der Umweltstaatssekretär das Landesregierung blamable Missverhältnis zwischen den mit ungeeigneten Methoden erhobenen lächerlichen Daten des Landes und der tatsächlichen Verbreitung der Art uns damit erklären will, dass sich das Rotmilanvorkommen erfreulich entwickelt hat, dann halten wir dies nicht nur für blanken Hohn, sondern darüber hinaus für einen naturschutzpolitischen Skandal.
Ähnlich ist die Aussage des grünen Umweltstaatssekretärs zu werten, für eine tatsächliche Bestandsgefährdung des Rotmilans durch Windenergieanlagen gäbe es keine Belege. Als Begründung führt er an, dass in den vergangenen zwei Jahren in Rheinland-Pfalz kein erschlagener Rotmilan unter WEA gefunden wurde. Zunächst bedeutet dies nur, dass keiner von den gefundenen gemeldet wurde. Die Windradbetreiber, deren Angestellte ehesten die Anlagen aufsuchen, haben kein Interesse daran, Schlagopfer zu melden. Bei anderen Findern scheitert die Meldung oft an der Bequemlichkeit. Außerdem weiß jeder, der sich ernsthaft mit der Materie befasst, dass Zufallsfunde von Schlagopfern äußerst unwahrscheinlich und daher sehr selten sind. Erschlagene Vögel oder Fledermäuse werden schnell vom Fuchs oder anderen Fleischfressern beseitigt. Zudem liegen die Schlagopfer, die sich evtl. noch flatternd oder zu Fuß fortbewegen können, oft in größerer Entfernung vom Windrad. Einen Seeadler, dessen abgeschlagener Flügel unter einem Windrad lag, hat man nach intensiver Suche noch lebend in 400 m Entfernung von der Anlage gefunden. Nur eine systematische Schlagopfersuche kann belastbare Ergebnisse bringen. Solch ein Monitoring wurde in Rheinland-Pfalz nie durchgeführt. Wer nichts sucht, der findet auch nichts. Die von Herrn Griese angeführten Zahlen sind also absolut nichtssagend. In Brandenburg haben Wissenschaftler der Staatlichen Vogelschutzwarte eine systematische Schlagopfersuche an über 160 Windenergieanlagen durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass im Schnitt pro 10 WEA und Jahr ein Rotmilan erschlagen wird. Eine Berechnung mit allgemein anerkannten populationsökologischen Methoden ergab, dass durch die 3100 in Brandenburg bestehenden WEA die Brutpopulation gefährdet ist. Das rheinlandpfälzische Umweltministerium erkennt diese Untersuchungen nicht an und argumentiert mit Zufallsfunden gegen die mit systematischer Suche und wissenschaftlichen Methoden ermittelten Erkenntnisse aus Brandenburg. Mit dem Planungsziel von 2650 WEA wird unser Bundesland die Windraddichte von Brandenburg noch übertreffen, in der Verbandsgemeine Birkenfeld haben wir jetzt schon mehr als die doppelte Dichte, mit über 90 in der Verbandsgemeinde geplanten Anlagen wird die vierfache Dichte überschritten.
Immer wieder argumentiert die Landesregierung damit, dass durch das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für die Einzelanlage der Artenschutz gewährleistet sei. Dabei dürfte es inzwischen auch in Mainz bekannt sein, dass die als Basis für diese Genehmigung eingereichten naturschutzfachlichen Planungsbeiträge, die vom Projektentwickler beauftragt und bezahlt werden, oft in hohem Maße interessengeleitet sind. In der Verbandsgemeinde Birkenfeld wurden so viele Windräder beantragt, dass die Untersuchungsräume um die Anlagen, in denen gezielt nach Rotmilanhorsten gesucht werden muss, sich derart überlappen, dass mit Ausnahme des Hunsrück-Hochwalds praktisch die gesamte Fläche abgedeckt ist. Also müssten alle Rotmilanhorste in der Verbandsgemeinde durch die Projektentwickler gefunden und gemeldet werden. Dass unseres Wissens bisher in den naturschutzfachlichen Planungsbeiträgen hier kein einziger Horst gemeldet wurde, der ein Windrad verhindert hätte, wohl aber über zehn von ehrenamtlichen Ornithologen, spricht für sich. Nur eine von den Projektentwicklern unabhängige Kartierung könnte eine naturschutzgerechte Basis für die Genehmigungsverfahren schaffen. Das Land mutet den Kreisverwaltungen zu, auf der Grundlage von interessengeleiteten und oft genug fehlerhaften und unvollständigen „naturschutzfachlichen Planungsbeiträgen“ rechtssichere Entscheidungen fällen zu müssen. Ein unhaltbarer Zustand!
Wir gewinnen immer mehr den Eindruck, dass die Landesregierung nicht will, dass alle Milanhorste gefunden werden, weil dies die ehrgeizigen Windradpläne bremsen würde. Wenn die Landesregierung den Artenschutz der Nutzung der Windenergie unterordnen will und den Rotmilan der Energiewende opfern will, dann soll sie das klar sagen, anstatt die Situation mit untauglichen Argumente zu verschleiern und zudem kritische Anfragen mit zynischen Kommentaren zurückzuweisen.
Der ehrenamtliche Naturschutz hat seit Inkrafttreten der Naturschutzgesetzgebung in den 1970er Jahren noch nie solche Brüskierungen hinnehmen müssen wie durch die jetzige Landesregierung mit dem „grünen“ Umweltministerium.
06.10.14
Willi Weitz (POLLICHIA-Kreisgruppe))
Christian Jungmann (NABU-Kreisgruppe)